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Gesche Santen

Von Unkraut und Talent: Die Geheimnisse der botanischen Malerei | Feldnotizen von Gesche Santen


Hallo Reader,

diese Mail ist die Textversion meines aktuellen Videos. Du kannst also in Ruhe lesen, oder gleich zum Video durchklicken, wenn dir das lieber ist:

video preview​

https://youtu.be/wRqg9qDOooU

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Unkraut-Mindset: Der SchlĂŒssel zur erfolgreichen Blumenmalerei

Es gibt zwei Dinge, die sind fĂŒr mich unwiderstehlich:

  1. Ein gut durchdachtes System
  2. Und ein besonders dummer Wortwitz.

Beides habe ich heute fĂŒr dich!â˜ș

Genaugenommen geht es darum, welche drei Dinge du brauchst, um realistische botanische Illustrationen zu malen.

Und darum, dass ich dir versichere, dass es nicht deine Schuld ist, wenn es bisher nicht geklappt hat.

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Aber erstmal zurĂŒck an den Anfang.

Da steht der Traum vom Blumen malen.

Du hast vielleicht eine diffuse Vision von dir im Kopf, wie du durch die Wiesen (oder den Park) streifst, dich von der Schönheit der Wildblumen inspirieren lÀsst und sie im Anschluss malst. Stolz blickst du auf dein Werk und hÀngst es vielleicht sogar auf.

Alles hinterlegt mit einem softgoldenen Filter und einem Studio Ghibli Soundtrack — natĂŒrlich.

Doch unsere RealitÀt sieht meist anders aus.

Nicht nur, weil wir keine viktorianischen Ladys mit scheinbar endlosen Geld- und Zeit Budget sind.

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Sondern auch, weil wir ein Perfektionismus-Monster im Nacken sitzen haben, dass uns unĂŒberhörbar zuflĂŒstert (oder vielleicht sogar brĂŒllt):

“Du hast ja eh kein Talent!”

“Was, wenn du jetzt das gute Papier versaust!”

“Das wird ja schon wieder nichts!”

“Habe ich es dir nicht gesagt: HĂ€sslich. Ungenau. StĂŒmperhaft.”

Ich habe auch so ein Monsterchen bei mir im Studio rumschwirren. (Meistens sitzt es nicht mehr direkt im Nacken.)

Und viele meiner SchĂŒler:innen beschreiben mir Gedanken, die sich auch verdammt nach einem Perfektionismus-Monster anhören.

Das ist nicht wirklich ĂŒberraschend.

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Denn die allgemeine Annahme ist, dass du, wenn du lernen möchtest botanische Aquarelle zu malen, zwei Dinge brauchst:

Du musst die Aquarelltechnik können und, wenn du damit soweit bist, dann musst du ĂŒben, ĂŒben, ĂŒben.

Wenn die ersten Versuche nicht gut aussehen, dann musst du noch besser die Technik “beherrschen” und noch mehr Üben, Üben, Üben.

Wenn dann am Schluss nicht das erwĂŒnschte Ergebnis dabei rumkommt, dann kann nur eines fehlen: Das Talent.

“HĂ€ttest du nur Talent, dann wĂ€re die Rechnung aufgegangen.” flĂŒstert dir dein Perfektionismus-Monster lachend ins Ohr.

Das ist Poseidonseidank Blödsinn!

Es war einmal ein Gesche


Ich habe schon öfter erzĂ€hlt, dass ich mit der botanischen Malerei nach meinem Ökologie-Studium begonnen habe, als ich voller Panikattacken und mit chronischen Schmerzen zu Hause saß und irgendwie versuchte, wieder aus meinem Loch raus zu krabbeln.

Die Therapeutin hatte mir “was Schönes nur fĂŒr mich machen” verordnet.

Und so setzte ich mich auf mein Rad, fotografierte die Wildpflanzen, die ich interessant fand und fing, wie von selbst, an sie im Anschluss zu malen.

Endlich nahm Freude und KreativitÀt wieder Raum ein in meinem Leben. Endlich hatte ich eine Achtsamkeitspraxis gefunden, die zu mir passte.

Endlich ging es mir wieder besser.

So schön. So poetisch. So verkĂŒrzt.

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Denn, was danach geschah, war natĂŒrlich nicht, dass ich fĂŒr immer glĂŒcklich und zufrieden BlĂŒmchen malte.

Stattdessen wurde ich ehrgeizig. Ich wollte, dass meine Bilder “was werden”, dass meine Pflanzenportraits besser, schöner, echter aussehen.

Ich lieh mir tausend BĂŒcher zum Thema botanische Illustration aus. Ich sah mir Onlinetutorials an.

Doch, wenn ich einen Pinsel in die Hand nahm, dann war mein Perfektionismus-Monster auch dabei. Ich wurde immer unzufriedener mit meinen eigenen Bildern.

Was mal als Lebensfreude spendendes Hobby begann, wurde zur endlosen Quelle an Unzufriedenheit und EnttÀuschung.

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Perfektionismus-Monster-Investition

Das perfide an so einer Perfektionismus-Monster-Investition: Es ist völlig egal, ob meine Bilder zu der Zeit nur wirklich “schlecht” oder “gut” waren.

Ich war in einer Perfektionismusspirale aus immer wĂ€hrend wachsenden AnsprĂŒchen gefangen. Und mit jeder technischen Weiterentwicklung, die ich hatte, wuchsen auch die Anforderungen, die mein Perfektionismus-Monster an mich hatte.

Ich hatte den Kern der Sache vergessen. Dass das Malen des “schönen Bildes” am Ende nicht das Ziel war, sondern auch nur Teil des Weges.

Dass es darum ging, raus zu gehen, etwas zu entdecken, was mich bezauberte und dem dann auf meinem Papier mit meinen Farben Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken.

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ZurĂŒck zu meiner falschen Rechnung von vorhin:

Es stimmt natĂŒrlich, dass du ein grundlegendes VerstĂ€ndnis fĂŒr Aquarellfarben brauchst, wenn du mit ihnen Malen willst.

Du musst aber keine Techniken “beherrschen”. Du kannst gleich mit dem Üben anfangen.

Das ist ĂŒbrigens auch der Grund, weshalb ich meine kompakten Durchstarter Workshops erstellt habe, damit du nach 90 Minuten genug weißt, um mit dem Blumen malen los zulegen.

Egal ob mit meinen Tutorials, mit anderen oder mit deinen eigenen Motiven.

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“Üben” ist nicht etwas, dass getrennt ist von der eigentlichen Praxis des Blumen Malens.

“Üben” geht am besten an Motiven, die dich interessieren. Du musst dir deine Lieblingsblume nicht aufsparen, bist du vermeintlich “gut genug” bist.

Zumal dir dein Perfektionismus-Monster eh immer erzÀhlt, dass dein Bild sch*eibenkleister ist.

Nichts geht darĂŒber, es einfach auszuprobieren.

Anzufangen.

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Wenn wir alle AnfĂ€nger am Anfang sind, die AnfĂ€ngerfehler machen, dann hilft nur eins Anfangen 
 und durch 😊

Wir mĂŒssen eben nur lernen, uns dabei von den Botschaften unseres Perfektionismus-Monsters nicht entmutigen zu lassen.

Was noch fehlt ist also nicht etwa Talent, oder dem Druck vom Monster nachzugehen.

Was fehlt ist etwas, was dich immer wieder zurĂŒck holt, wenn du drohst im Gedanken-Malstrom des Perfektionismus zu versinken.

Was dich immer wieder darauf besinnt, worum es ursprĂŒnglich mal ging: Wildblumen bewundern und feiern.

Was fehlt ist das Motive entdecken, Gucken, Staunen.

Was fehlt ist das (Trommelwirbel): Unkraut Mindset .* (Applaus. Applaus)

*Ich habe das frĂŒher immer mit “Sanftes Mal-Mindset” beschrieben

Was meine ich damit?

Wir brauchen beim malen lernen nicht nur Aquarelltechnik und Gelegenheit zum Üben.

Wir brauchen auch eine Innere Haltung, mit der wir unserem Perfektionismus-Monster entgegentreten können.

Nicht mit Druck und VorwĂŒrfen, dass fĂŒttert unser Monster nur an.

Sondern mit sanfter Bestimmtheit.

Unkraut (liebevoll) ist dabei, mein Sinnbild.

Es lÀdt dich ein resilient zu sein, eine gewisse Widerspenstigkeit zu zeigen.

Nur weil du regelmĂ€ĂŸig zwischen den Pflastersteinen den Löwenzahn ausrupfst, lĂ€sst der sich nicht davon abhalten, es immer wieder zu versuchen.

Es steht dafĂŒr geduldig zu sein mit dir und vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken, die du vielleicht noch gar nicht sehen kannst.

Was mit einem mikroskopisch kleinem Samen im Kompost beginnt, blĂŒht dieses Jahr vielleicht ganz schön und kann nĂ€chsten Sommer dein ganzes GemĂŒsebeet ĂŒbernehmen.

ZĂ€h, wie ein Giersch im Staudenbeet und neugierig, wie ein GĂ€nseblĂŒmchen auf einem Golfplatz, stellen wir uns unserem Perfektionismus-Monster entgegen.

Denn nur, wenn wir neben den Technikgrundlagen und unseren ersten Mal-Übungen auch lernen, uns unsere Freude am Malen zu erhalten, malen wir mehr und kommen unserem Traum vom Anfang nĂ€her.

Deshalb sind in dem neuen Gemaltes Herbarium Kurs auch zum ersten Mal Unkraut-Mindset Lektionen

fest integriert, in denen ich dich z.B. einlade einmal hin zu horchen, was dein persönliches Perfektionismus-Monster dir so erzÀhlt, sodass wir ihm gemeinsam mutig entgegentreten können.

Frohes Entdecken und Aquarellieren. Und bis zum nÀchsten Mal.

Gesche

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Gesche Santen

In meinem 🌿📝✹Feldnotizen Newsletter teile ich meine Gedanken und Prozesse rund ums Wildblumen malen in Aquarell. Dabei gibt es fĂŒr dich eine geballte Handvoll praxisnaher Tipps - rund um Technik, Botanik und “nett zu dir sein, wĂ€hrend du malst”. 💚

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